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Die Geschichte von Alnatura und der dm Drogerie Markt-Kette – Chronologie einer langen Freundschaft.
Conscious Consumerism ist feste Variable in der Green Economy. Grob übersetzt: bewusster Konsum wird im grünen Sektor groß geschrieben. Wer diese Begriffe hört, hat sicher gleich ein stereotypes Bild vor Augen: Jutebeutel tragende „Ökos“, die in einer sich selbst versorgenden Community leben und Obst und Gemüse selbst anbauen. Gar nicht so verkehrt. Denn Menschen, die nachhaltig leben, sind Minimalisten: alles wird auf das Nötigste reduziert. Der bewusste Verbraucher verzichtet auf Konsumartikel, um möglichst unabhängig vom Markt zu sein. Auf Profitgier, Wettbewerbsstreben und egoistisches Verschwendertum wird mit Selbstversorgung, Food Sharing und Upcycling geantwortet. So zumindest die Annahme.
Profitstreben auch bei den „Grünen“?
Dieses altruistische Image scheint auch das Bild des grünen Marktes zu dominieren. Irgendwie passen Nachhaltigkeit und bewusster Konsum nicht mit Profitstreben zusammen. Würde Konkurrenzdenken in der Bio-Branche doch den friedlichen Werten, die den Sektor ausmachen, widersprechen. Konkurrenzkampf in der Green Economy? Hier werden Auseinandersetzungen doch stets friedlich und diplomatisch im Konsens geregelt. Ist das wirklich der Fall?
Wettbewerbsstreben im grünen Sektor
Weit gefehlt. Auch der Grüne Markt ist vor den Dynamiken der Marktwirtschaft nicht gefeit. So dürfte der Clinch zwischen dm Drogeriemarkt-Chef Götz Werner und Alnatura-Chef Götz Rehn den ein oder anderen dann auch ziemlich überrascht haben. Seit Monaten hielt der Konflikt die Bio-Branche in Atem.
Die beiden Unternehmen waren für ihre vorbildliche, über drei Jahrzehnte wehrende Partnerschaft bekannt. Die von Götz Werner gegründete Drogeriemarktkette dm ist seit vielen Jahren Hauptabnehmer der im hessischen Bickenbach von Götz Rehn gegründeten Biomarke Alnatura. Seit April 2015 entwickelten sich die Geschäftsbeziehungen jedoch immer mehr auseinander.
Der Konflikt zwischen Deutschlands größtem und beliebtestem Drogeriemarkt und seinem langjähren Kooperationspartner Alnatura war ausgelöst worden durch dm-Chef Werners Entscheidung, eine eigene Bio-Marke einzuführen. Die Gerüchte, die 2014 noch in den Medien kursierten, bewahrheiteten sich im Frühjahr 2015. Werners Entscheidung war im Rahmen neuer Pläne zum Ausbau des Sortiments gefallen – man wolle „an der drogistischen Kompetenz arbeiten“, hieß es in der LZ.
Die Entscheidung Werners, eine eigene Marke einzuführen, war für Alnatura nicht nur ein unerwarteter Schritt, sondern auch „ein harter Schlag“, wie ein anonymer Branchenexperte der taz erläuterte. Ein Jahr zuvor war man noch optimistisch gewesen. So ließ der Alnatura- Geschäftsbericht verlauten, dass „aufgrund des Filialwachstums der Handelspartner“ (wie dm) „von einem weiteren Wachstum auszugehen“ sei. „Ein potenzieller Ausfall eines Handelspartners ist nicht absehbar“ hieß es. Diese positiven Aussichten nahm Alnatura-Chef Rehn damals noch zum Anlass, die Belegschaft um ein Fünftel zu erweitern.
dm nimmt Alnatura-Produkte aus dem Sortiment
Mit der Einführung einer dm-eigenen Biomarke ging eine sukzessive Reduzierung des Alnatura-Sortiments einher. Dies hatte 2015 schließlich zum Erliegen der jahrzehntelangen Partnerschaft mit dem Handelspartner Alnatura geführt. Beide Unternehmen hatten von der Partnerschaft profitiert; beide Marken sind bei den Käufern gleichermaßen beliebt. Was die Manager vor allem verbindet, ist der nachhaltige Ansatz, den sie beide vertreten.
Dass die Geschäftsbeziehungen auch gewinnbringend waren, zeigte sich auch deutlich an den Zahlen. So konnte die dm-Drogeriemarktkette im Geschäftsjahr 2014/2015 eine Umsatzsteigerung von neun Prozent verzeichnen und über neun Milliarden Euro erwirtschaften. Auch der Handelspartner Alnatura durfte sich über eine Umsatzsteigerung von zehn Prozent und einem Umsatz von 760 Millionen Euro im gleichen Geschäftsjahr freuen.
Heute genießt Alnatura seinen Ruf als eines der anerkanntesten Unternehmen der Bio-Lebensmittelbranche und löste 2014 auf der Beliebtheitsskala sogar Cola Cola von der Rangliste der beliebtesten Lebensmittelmarken ab.
Derartige Wachstumszahlen könnten zumindest für Alnatura zunächst zum Stillstand kommen. Die Bio-Marke war vor allem durch seinen Hauptabnehmer, der Drogeriemarkt-Kette dm, bekannt geworden und bezog dort einen großen Anteil seiner Gewinne: immerhin ein Drittel des Umsatzes soll Alnatura dem Produktvertrieb in dm-Filialen verdanken.
Ende 2015 hatte dm 200 Alnatura-Produkte aus seinen Regalen genommen. Die Auslistung von mehr als der Hälfte der Alnatura-Produkte aus dem dm-Markt traf den Biohändler zunächst hart. Bis dato hatte der Drogeriemarkt etwa 650 Produkte der beliebten Biomarke in seinem Sortiment geführt. Bei Alnatura sei man enttäuscht von diesen Entwicklungen.
Ganz anders da die Haltung des dm-Gründers: Noch bis April 2016 will er 70 Prozent der Alnatura-Produkte ausgelistet haben, bestätigte eine Alnatura-Sprecherin der Tagesschau.
Die Art der Beendigung der Geschäftsbeziehungen war für viele überraschend, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Werner und Rehn nicht nur jahrelang geschäftlich sehr eng miteinander verbunden waren, sondern darüberhinaus noch verschwägert sind. Doch auch diese Tatsache konnte nicht verhindern, dass die Auseinandersetzung zwischen den beiden Unternehmern in einem Rechtsstreit endete.
Alnatura-Chef Rehn hatte sich durch die Auslistung bei dm um neue Vertriebspartner bemüht, um den Verlust durch die sinkenden Umsätze auszugleichen.
dm Chef Werner zieht vor Gericht
Die ambitionierte Neupositionierung Alnaturas entging dm-Chef Werner natürlich nicht. Dass er trotz eigener Bio-Marke nicht vom langjährigen Partner Alnatura loslassen und vor allem keine aus Werners Sicht ihm zustehenden Anteile an Alnatura verlieren wollte, machte der dm-Chef im Januar diesen Jahres deutlich.
Vor dem Landesgericht Frankfurt hatte er Klage gegen seinen langjährigen Handelspartner erhoben: Werner wollte Alnatura die Markenrechte abkaufen. Der Drogeriemarkt habe seiner Ansicht nach maßgeblich zum Erfolg und zur Bekanntheit der Biomarke Alnatura beigetragen. Denn als Götz Rehn 1984 den Vorläufer von Alnatura gründete und ein Jahr später die Marke eintragen lässt, ist kein weniger sein Mentor als dm-Gründer Götz Werner. 1986 werden bereits erste Alnatura-Produkte in dm-Märkten verkauft. „Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft“ verlautete Rehn noch im Sommer 2014. Mit der Klage hatte Werner in den Medien und in der grünen Branche für Furore gesorgt. Seine Klage wurde indes vom Landesgericht Frankfurt in erster Instanz abgewiesen.
Doch dabei sollte es nicht bleiben. Dm-Chef Werner zog weitere Register, legte Berufung beim Oberlandesgericht ein und klagte zeitlich vor dem Landesgericht Darmstadt gegen Alnatura-Partner Rehn. In dem zweiten Verfahren ging es um einen Kooperationsvertrag, an den sich Alnatura-Chef Rehn nach der Auslistung der Alnatura-Produkte nicht mehr gebunden fühlte. Der Vertrag übertrug dm-Chef Werner Mitspracherechte bei der Auswahl neuer Alnatura-Vertriebspartner versichert, auf die er nun pochte.
Alnatura geht Kooperation mit Edeka ein
Inzwischen hat Alnatura den größten deutschen Lebensmittelhändler EDEKA für sich gewinnen können. Alnatura-Geschäftsführer Rehn äußerte sich erfreulich über die neue Kooperation, die seit Oktober 2015 offiziell ist: „Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit dem EDEKA-Verbund, der als Nahversorger mit genossenschaftlichen Strukturen der ideale Partner für uns ist. Die große Nachfrage der Kundinnen und Kunden nach Alnatura-Produkten können wir durch unseren neuen Handelspartner nun noch besser füllen“.
Mithilfe der EDEKA-Kooperation gelang es Rehn, auf die gestiegende Nachfrage der Kunden nach Alnaturaprodukten zu reagieren, die sich nach der Auslistung beim dm-Partner herauskristallisiert hatte. Die Anzahl der Alnatura-Verkaufsstellen konnte so innerhalb eines dreiviertel Jahres 2015 verdoppelt werden. Darüber hinaus weitet Alnatura sein Angebot nun auch außerhalb der Ladenzeile aus. Durch die Kooperation mit Gourmondo, einem Onlineshop und Anbieter für Feinkost, will Alnatura auch Kunden erreichen, die bisher nur schwierig Zugang zu Alnaturaprodukten hatten. In dem „Alnatura Super Natur Shop“ können Kunden zwischen etwa 1500 Alnatura-Produkten wählen und diese bequem Zuhause bestellen und liefern lassen.
Und genauso unerwartet, wie der Streit begonnen hat, wurde er nun beigelegt. Nach über einem Jahr hitziger Debatte um die Zukunft der gemeinsamen Zusammenarbeit haben sich dm-Manager Werner und Alnatura-Chef Rehn wieder versöhnt und den Rechtsstreit beendet, wie das Fachblatt „Lebensmittelzeitung“(LZ) und die Zeitung „Info3“ berichten. Details über die Einigung seien noch nicht bekannt.
Antreiber der Versöhnung war der gemeinsame Bekannte und Geschäftspartner Ibrahim Abouleish gewesen. Abouleish, ägyptischer Sozialunternehmer und Träger des Alternativen Nobelpreises, der auch für dm und Alnatura Textilien produziert, ist Gründer des ägyptischen Landwirtschaftsbetriebs Sekem, wie die Wirtschaftswoche berichtet.
Biomarken auf Profitkurs – ein Widerspruch an sich?
Die Auseinandersetzung zwischen den beiden anthroposophisch eingestellten Unternehmern zeigt, dass Konkurrenz- und Machtkämpfe auch nicht vor dem grünen Sektor zurückschrecken.
Branchenkenner sprachen bisweilen von einer „aggressiven Expansionspolitik“ Werners und spekulierten, dass der dm-Chef sich mit der eigenen Biomarke eine höhere Marge erhoffe. Während der Eindruck nach außen eine vorbildliche Unternehmenspolitik erahnen lässt, sollen laut „Handelsblatt“ einige dm-Mitarbeiter über die rauen internen Umgangstöne klagen. Lieferanten und Geschäftspartner sprachen von „knallharten Geschäftsgebahren“.
Alnatura geht seinen Weg derweil selbstbewusst und offensiv – auch im Alleingang ohne dm. Neben der Partnerschaft mit EDEKA gibt es seit Juni 2015 weitere Kooperationen mit den österreichischen Partnern Billa, Merkur, MPreis und Sutterlüty. Auch soll das hauseigene Filialnetz erweitert werden. So plane man 2016 noch die Eröffnung der 100. Alnatura-Filiale in der Friedrichstr. in Berlin und will bis Ende 2016 die Zahl der Alnatura-Filialen um weitere neun auf insgesamt 110 Filialen deutschlandweit aufstocken.
Green Economy weiter im Aufwärtstrend
Die Expansionsbemühungen der beiden Unternehmer sind in Anbetracht derzeitiger Entwicklungen im grünen Sektor durchaus einleuchtend. Laut dem Vegetarier-Bund (VEBU) geht der Trend derzeit eindeutig in Richtung Bio und Vegan. Der vegetarisch-vegane Lifestyle habe die Mitte der Gesellschaft erreicht, schreibt das Online-Magazin VEBU.
Weltweit wird die Zahl der sich vegetarisch-vegan lebenden Menschen mittlerweile auf 1 Milliarde geschätzt. In Deutschland sollen sich 7,8 Millionen Menschen vegetarisch ernähren, 900 000 ernähren sich vegan. In den Geschäften und Supermärkten stieg die Nachfrage nach pflanzlichen Produkten, Fleischersatzprodukten und Bio in den letzten Jahren deutlich an. Allein mit Fleischalternativen und veganen Brotaufstrichen wurde 2014 ein Umsatz von 213 Millionen Euro erwirtschaftet. Das ist eine Steigerung von 73 Prozent innerhalb von nur 5 Jahren.
Quelle: GfK
Immer mehr Konsumenten streben einen bewussten Konsum an. Der Verzicht auf tierische Produkte sowie der Vorzug biologisch hergestellter Waren steht eng mit diesem Wunsch in Verbindung. Der Trend des bewussten Konsums wird auch bei Verlagen deutlich. Wurden 2011 noch 12 vegane Bücher veröffentlicht, so belief sich die Zahl der Neuerscheinungen veganer Kochbücher im Jahr 2015 bereits auf 119. Neben Büchern gibt es mittlerweile auch immer mehr vegane Zeitschriften und Magazine auf dem Markt.
Ebenso stieg die Zahl veganer Restaurants, veganer Kosmetik und veganer Mode deutlich an, wie die VEBU berichtet.
Wer heute bewusst leben möchte, muss schon längst nicht mehr Jutebeutel tragender Hippie sein. Denn immer mehr Menschen verschiedenster Alters- und Gesellschaftsschichten finden Interesse an bewusstem Konsum und öffnen sich für den grünen Lifestyle. Auf zahlreichen Messen, wie Europas größtem veganen Sommerfest in Berlin mit 50 000 Besuchern, der VeggieWorld in verschiedenen deutschen Großstädten oder der der bio-veganen Messe ExtraVurst in Bochum und Leipzig können sich Konsumenten mittlerweile ausführlich über die neuesten Trends in der bio-veganen Szene informieren.
Auch die Konsumenten-Lieblinge wie dm und Alnatura möchten sich die Vorteile, die sich wirtschaftlich aus diesen neuen Trends ergeben, natürlich nicht entgehen lassen. Daher betrachtet Alnatura-Chef Rehn den Konflikt mit dm mittlerweile recht nüchtern: „Auseinandersetzungen zwischen Geschäftspartner gehörten schließlich zum Leben als Unternehmer dazu.“, sagt er der WirtschaftsWoche.
Was die neue Kooperation mit EDEKA für den Bio-Händler Alnatura bereithält und welche Rolle EDEKA zukünftig im Bio-Lebensmittel-Markt spielen wird, das lesen Sie in Teil 2 dieses Artikels.
Quellen:
- Die Geschichte der größten Bio-Supermarkt Kette
- Bio lieber selber machen (taz.de)
- Streiten um Markenrechte (w&v)
- Streit um Bio-Markenrechte (tagesschau.de)
- Ich hab dich großgemacht, Baby (taz.de)
- EDEKA baut Bio-Kompetenz aus (presseportal.de)
- Auslistung bei dm-Drogeriemarkt führt zur verstärkten Nachfrage (presseportal.de)
- Drogeriekette vs. Biohändler (spiegel.de)
- dm-Entscheidung ist natürlich unerfreulich (wiwo.de)
- Streit zwischen Bio-Supermarkt und dm-Drogeriemarkt
- Götz Rehn und Götz Werner vertragen sich wieder (wiwo.de)
- Vegan-Trend: Daten und Fakten zum Veggie-Boom (vebu.de)
- Beliebteste Lebensmittelmarken: Bio-Supermarkt löst Coca-Cola ab (w&v)
- Bio-Supermarkt startet mit Gourmondo in den Online-Handel
- Online-Shop der beliebtesten deutschen Lebensmittelmarkte (gourmondo.de)
Bildquellen
- Green Economy und Vegan Trend: Streit zwischen dm & Alnatura, Fleischalternativen: Vegetarier Bund
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